„Clown, Tanzen? Wie bitte?“ Diese Fragen haben sich bestimmt einige Teilnehmenden bei meinem Tanz-Workshop gefragt. Aus der verrückten Idee, Übungen und Spiele für Clowns auf Tanzende zu übertragen, wurde der Workshop „Clown trifft Tanz“ geboren. Für mich ein großes Experiment – für alle anderen die teilnahmen wahrscheinlich auch…
„Aber warum? Soll jetzt jeder mit roter Nase über die Tanzfläche springen?“ – „Nein, auf keinen Fall!!!“ Ein Clown ist mehr als rote Nase. Wenn man tiefer forscht, wird einem schnell bewusst, wie komplex die Arbeit als Clown ist. Beim Tanzen ebenso, wenn wir tiefer eintauchen, erkennen wir auch schnell wie komplex und verwoben alles ist. Clown und Tanzen haben viel gemeinsam – Fühlen und im Moment sein (und noch viel, viel mehr).
Manche Tanzenden vergessen gelegentlich, dass es nicht nur um Schritte auf dem Boden geht. Musik, Rhythmus, Flow… Manchmal vergessen wir auch, dass wir nicht alleine auf der Tanzfläche sind. Aber was können wir denn von einer Figur lernen, die in der Tanzwelt nicht existiert? Da lohnt sich ein Blick in die Welt der Clowns. (Achtung, es könnte philosophisch werden.)
Wenn ich mich entscheide ein Clown zu sein, entscheide ich mich auch für eine ganz besondere innere Einstellung und Haltung. Ich bin ich. Das klingt nach nicht viel und ist irgendwie auch selbstverständlich, weil ich doch niemand anderes sein kann. Aber darin steckt etwas Tieferes: Wir sind authentisch, wir machen uns frei von den Erwartungen anderer und unseren eigenen. Wir tragen keine Maske, keine Fassade und machen uns angreifbar, verwundbar. Clowns suchen diese Durchlässigkeit. Ungefiltert nehmen sie so alles wahr, was sie umgibt. Clowns werden dabei durchlässig für Gefühle und Emotionen. Aber nicht nur das. Mit diesen feinen Antennen nimmt ein Clown den Raum wahr und erspürt, was die jeweilige Situation erfordert.
Etwas anderes können Clowns ebenfalls besonders gut. Scheitern. Clowns sehnen das Scheitern geradezu herbei und umarmen es. Und statt jeden Fehler, jedes Problem zu verteufeln und sich selbst mit Vorwürfen zu überziehen, macht der Clown etwas anderes: Der Clown ist grundsätzlich gut zu sich und anderen. Und das kann ein Clown sein, weil Vergangenheit und Zukunft nicht existieren. Ein Clown ist grundsätzlich im Moment, ein wohlwollendes Wesen im Hier und Jetzt, das alle Emotionen und Gefühle offen auslebt und zeigt.
Jetzt der Spagat – tatsächlich kann ich diese Haltung auch ohne Nase in die Tanz-Welt mitnehmen. Ich kann authentisch, durchlässig, offen, wohlwollend und im Moment sein. Ganz schön viel auf einmal. Und noch etwas, man kann diese innere Haltung üben. Was jetzt gerade nach Selbstoptimierung klingt, ist alles andere als das. Es geht um Selbstwahrnehmung und darum, das anzunehmen, was da ist. Es geht um Fragen wie, wer bin ich und was macht mich aus. Wenn ich mich selbst wahrnehme, dann kann ich auch andere wahrnehmen, dann kann ich meine ganze Umwelt wahrnehmen – ohne Dinge zu hinterfragen oder zu werten. Alles ist und alles darf sein.
Als Clown ist diese Weltsicht etwas Selbstverständliches, für einen tanzenden Menschen doch eher Neuland. Dieses unbekannte Land zu erkunden, erfordert Mut und ist auch anstrengend – auch für Clowns. Aber es lohnt sich: Tanz, Musik, beides wirkt auf der Gefühlsebene. Wenn ich dafür durchlässiger werde, spüre ich mehr Gefühl und Emotion. Ich bewege mich nicht mehr in meiner eigenen kleinen Blase, sondern nehme mich, mein Gegenüber und eigentlich alles bewusster wahr. Tanzen wird dann wieder zu einem Erlebnis und keiner technischen Performance. Zu Scheitern – sich „Vertanzen“, eine Figur nicht richtig beherrschen, wird zu etwas Schönem. Es eröffnet einem neue Horizonte, neue Variationen. Alles zusammen verbindet die Menschen wieder miteinander und ermöglicht einen anderen Blick auf die Dinge – und vielleicht auch auf die ganze Welt um uns.

